Arztstrafrecht

Besonderheiten im Arztstrafrecht

Der Begriff des "Arztstrafrechtes" ist zu differenzieren in Tatbestände, die nur ein Arzt/Therapeut verwirklichen kann (sog. Sonderdelikte) und solche, die jedermann begehen kann, die dem Arzt jedoch in Ausübung oder gelegentlich seiner Berufsausübung angelastet werden. Letztere umfassen insbesondere die Körperverletzungs- und Tötungsdelikt, aber auch Betrugstatbestände z.B. in Form des Abrechungsbetruges oder der Geheimnisverrat durch Preisgabe von Patientendaten (Stichwort: ärztliche Schweigepflicht) sowie Verstöße gegen das BtMG/AMG zählen hierzu. Zu den Sonderdelikten gehören u.a. der sexuelle Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses, die Ausstellung unrichtiger Gesundheitszeugnisse oder (teilweise) die ärztliche Pflichtverletzung bei einem Schwangerschaftsabbruch. Nicht zu vernachlässigen sind auch Verstöße gegen das allgemeine berufsrechtliche Werbeverbot.

Steht der Arzt in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis können auch die sog. Straftaten im Amt, z.B. Vorteilsnahme, Bestechlichkeit oder Körperverletzung im Amt in Betracht kommen.

Bei der Strafverteidigung des Arztes sind stets mögliche berufsrechtliche und haftungsrechtliche Folgen zu beachten. Nicht selten kollidieren hier die Pflicht des Arztes, gegenüber seiner Haftpflichtversicherung und den Berufsverbänden wahrheitsgemäße und vollständige Angaben machen zu müssen, mit dem Recht als Beschuldigter, zu schweigen oder gar bewusst die Unwahrheit zu sagen. Der Arzt kann nur vor vorschnellen Angaben gegenüber der Versicherung/berufsständischen Vereinigung gewarnt werden. Die Strafverfolgungsorgane haben auf diese Angaben nahezu uneingeschränkten Zugriff. Dies gilt natürlich in gleichem Maße für Angaben unmittelbar gegenüber der Staatsanwaltschaft/Polizei etwa anlässlich einer Durchsuchung.

Besondere Aufmerksamkeit ist von Anfang an den berufsrechtlichen Folgen zu widmen. Die Staatsanwaltschaften melden regelmäßig bereits die Einleitung, in jedem Falle aber den Ausgang entsprechender Verfahren an die berufsständische Vereinigung. Je nach Tatvorwurf kann dies bereits im Ermittlungsverfahren zu einem Ruhen der Approbation führen (vgl. §§ 5,6 BÄO). Mit berufsrechtlichen Folgen muss gerechnet werden, wenn neben dem reinen strafrechtlichen Vorwurf ein sog. berufsrechtlicher Überhang besteht. Von weiterer existenzieller Bedeutung können auch kassenrechtliche Maßnahmen sein.
Die strafrechtliche Ahndung hat zwar keine Bindungswirkung, da die berufsständischen Verfahren eigene Feststellungen treffen müssen, ihre mittelbar präjudizierende Wirkung ist jedoch evident.
Hinzuweisen ist an dieser Stelle auch auf Bestrebungen des Gesetzgebers, zumindest hinsichtlich zivilrechtlicher Haftungsansprüche abweichend von der heutigen Regelung künftig die Bindungswirkung strafgerichtlicher Feststellungen im Gesetz festzuschreiben.

Die materielle Strafverteidigung wird sich regelmäßig mit den Fragen der Berufsausübung lege artis, der Einwilligung und der Vorhersehbar bestimmter Kausalverläufe beschäftigen. Hier kann die rechtzeitige Einschaltung eines Sachverständigen durch die Verteidigung besondere Bedeutung gewinnen.
Insbesondere unter dem Stichwort der Fahrlässigkeit können sich strafrechtlich relevante Tatbestände aus Organisationsmängel, Übernahme von Aufgaben auf Weisung trotz unzureichender Berufspraxis sowie Fehlern bei Indikation, Diagnose, Aufklärung und Therapie ergeben.

Die Verteidigung in diesem Bereich erfordert somit ein besonders umsichtiges Verhalten "von der ersten Sekunde" an, da durch die aufgezeigte Verzahnung straf-, zivil- und berufsrechtlicher Bereiche die wechselseitigen Auswirkungen jederzeit überprüft werden müssen. Nicht zu verkennen ist auch die Außenwirkung bereits durch die Einleitung entsprechender Verfahren, wenn diese etwa im Zuge einer Durchsuchung (pressewirksam) bekannt werden.

Im Rahmen der Berufshaftpflichtversicherung besteht u.U. auch für das Strafverfahren ein Deckungsschutz, sofern hieraus zivilrechtliche Ansprüche resultieren können. Die Versicherung übernimmt in der Regel jedoch nur einen Teil der Kosten, eventuell sind aber Gebührenvereinbarungen möglich.

Neben der Verteidigung des Arztes eröffnet sich hier für den Verteidiger auch das Gebiet Patientenvertretung, etwa bei der Erstattung einer Strafanzeige oder der Geltendmachung von Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüchen.